Die Süddeutsche Zeitung hat in einem Artikel am Beispiel der Kinderheilkunde aufgezeigt, dass die Formel „Mehr Ärzte und Ärztinnen gleich bessere medizinische Versorgung“ zumindest nicht eindeutig aufzustellen ist.
Zum einen müssen immer auch die fachspezifischen Besonderheiten betrachtet werden und zum anderen auch gesellschaftspolitische Strukturen.
Zunächst einmal die Zahlen. Die Anzahl der Kinderärzte und Kinderärztinnen in Deutschland ist seit dem Jahr 2011 um 25% gestiegen. Trotz dieses Anstieges, so führt die Süddeutsche Zeitung weiter aus, hat man aus vielen Kinderarztpraxen in Deutschland (sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum) von Überlastungen gehört und gelesen.
Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich, wenn man die fachspezifischen Besonderheiten der Kinderheilkunde genauer betrachtet. Die Kinderheilkunde hat zum einen jedes Jahr mit einem saisonal bedingten Anstieg der Krankheitsfälle bei Kindern zu kämpfen, der sich Ende 2022, bedingt durch die Coronapandemie und die damit einhergehenden Schutzmaßnahmen, die nicht nur eine Ansteckung mit Corona sondern auch mit vielen anderen Virusinfektionskrankheiten verhindert hat, massiv verschärfte.
„Laut einer Studie der DAK war die Zahl der unter Einjährigen, die an dem RS-Virus erkrankten und deshalb ins Krankenhaus eingeliefert wurden, im letzten Quartal 2022 fünfmal so hoch wie 2018 im gleichen Zeitraum. Ihr Anteil auf den Intensivstationen sei um 350 Prozent gestiegen. Zum anderen berichten Kinderärzte, dass die Grippe in diesem Winter wesentlich hartnäckiger war als in den Jahren zuvor, sodass sie von vielen Patienten nicht einmal, sondern zwei- oder dreimal konsultiert wurde“
Darüber hinaus führen der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Burkhard Rodeck und der Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, weitere Gründe für die hohe Arbeitsbelastung in den Kinderarztpraxen an.
Gründe für den Praxisschwund bei den Kinderärzten
- Hohe Teilzeitquote unter den praktizierenden Kinderärzt:innen
- Immer mehr Ärzte und Ärztinnen sind in Praxen angestellt, statt Praxiseigentümer zu sein
- Steigende Arbeitsbelastung. Gründe hierfür sind: Steigende Geburtenrate in den vergangenen Jahren; Mehr Aufgaben, die von den Ärzten und Ärztinnen selbst durchgeführt werden müssen, weil medizinische Fachangestellte fehlen.
Hinzu kommt, dass in den kommenden 5 bis 10 Jahren ca. 20% der Kinderärzte und Kinderärztinnen in den Ruhestand gehen werden.
Maßnahmen gegen den Praxisschwund bei den Kinderärzten
Vor diesem Hintergrund müssen laut Burkhard Rodeck und Jakob Maske folgende Maßnahmen ergriffen werden.
- Steigerung der Gesundheitskompetenz der Eltern. Vor allem bei der Kompetenz, zu entscheiden, wann ein Arztbesuch notwendig ist, gibt es noch viel Luft nach oben. Diese Kompetenz muss auch durch die Schule und die Kitas vermittelt werden.
- Die Bedarfspläne der Kassenärztlichen Vereinigung müssen angepasst werden. Damit die Regionen, die tatsächlich Bedarf haben, auch Arztsitze erhalten.
- Schaffung von mehr Studienplätzen.
Am Ende kann festgehalten werden, dass trotz des Anstieges der Kinderärzte und Kinderärztinnen um 25% in den letzten 12 Jahren, auch in diesem Fachbereich Ärzte und Ärztinnen fehlen, weil die gesellschaftspolitischen Strukturen, wie die hohe Teilzeitquote oder die mangelnde Gesundheitskompetenz der Eltern sich nicht von heute auf morgen verändern lassen.
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Quelle: Süddeutsche Zeitung