Im Zusammenhang mit den, in den letzten Wochen und Monaten thematisierten Problemen im deutschen Gesundheitswesen und dem Veränderungsbedarf (Stichworte sind hier u.a. Krankenhausreform, Fachkräftemangel, Digitalisierung) scheint ein Thema unter den Tisch zu fallen:
Umwelt- und Klimaschutz in der Medizin bzw. im Krankenhauswesen.
Folgende Fakten machen deutlich, dass dieses Thema von immenser Bedeutung ist.
- Knapp fünf Prozent der weltweiten Klimagas-Emissionen gehen auf das Konto des Gesundheitswesens und gehört damit zu den Kohlendioxid-intensivsten Sektoren
- Lt. Jodi Sherman, Anästhesiologie-Professorin und Direktorin des Nachhaltigkeitsprogramms an der Yale Universität führen die Emissionen, die durch das Gesundheitswesen entstehen zu der gleichen Anzahl an Toten, wie vermeidbare medizinische Fehler
- In Deutschland werden 16 Millionen Narkosen pro Jahr verabreicht. Dies entspricht einem Ausstoß von 600.000 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalenten
- In Deutschland wird hauptsächlich Desfluran als Narkosegas verwendet. Desfluran gilt als das „mit Abstand klimaschädlichste aller Narkosegase“ und der Treibhauseffekt dieses Narkosegases ist „2600-mal ausgeprägter als Kohlendioxid“
Vor diesem Hintergrund hat die Berliner Charité in Person von Susanne Koch, die dort als Anästhesistin tätig ist, entschieden, Desfluran nicht mehr zu verwenden. Stattdessen werden regionale oder intravenöse (Propofol) Narkosemittel verwendet.
Allein durch diese Maßnahme „konnte der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen in der Charité seit 2016 auf ein Zehntel reduziert werden“.
Der Blick auf andere Länder zeigt, dass auch dort die massiven schädlichen Auswirkungen von Desfluran erkannt wurden.
In Großbritannien gibt es seit 2008 innerhalb des National Health Service eine Abteilung für Nachhaltigkeit. Deren Aufgabe ist u.a., die Kontrolle und Messung der Kohlendioxid-Emissionen im Gesundheitssektor. Mit dem Ergebnis, dass seit 1990 die Emissionen von Treibhausgasen um 26 Prozent verringert werden konnten. Auch die EU hat sich dafür ausgesprochen Desfluran zu verbieten. Hier legten allerdings die Interessenverbände ihr Veto ein.
Doch nicht nur Narkosemittel sind ein wichtiger Bestandteil, wenn es darum geht, das Klima zu schützen. Die Charité hat auch in den nichtmedizinischen Bereichen einige Maßnahmen ergriffen, die zum Klimaschutz beitragen.
- Jobrad, inkl. kostenlose Wartung der eigenen Fahrräder in der eigenen Fahrradwerkstatt der Charité
- Mitarbeiterkleidung: diese wird in Zukunft aus organischem Tencel hergestellt. Tencel ist eine Holzfaser aus regionalem Anbau.
- Lebensmittelabfälle: 2022 konnte die Charité 85 Tonnen Lebensmittelabfälle einsparen. Das entspricht ca. 216 Tonnen Kohlendioxid.
- Energieverbrauch: Die Charité bezieht Ökostrom. Einsparpotential würde eine Gebäudesanierung mit sich bringen, aber die Klinikstandorte sind denkmalgeschützt, daher ist eine Gebäudesanierung sehr teuer.
Fotos: shutterstock /Jacob Lund
Quelle:
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/die-loesung-fuer-alles/nachhaltigkeit-medizin-Charité-jodi-sherman-92494