In Zusammenhang mit dem Reform- und Veränderungsbedarf des deutschen Gesundheitssystems, wurden in der Vergangenheit auch immer wieder die Notaufnahmen der Krankenhäuser und deren Überbelastung thematisiert. Als Gründe für die Überbelastung werden neben dem Personalmangel auch die zu hohe Zahl an zu Patienten:innen genannt, die die Notaufnahme unnötigerweise aufsuchen. Eine Berliner Klinik hat hierzu die Angabe gemacht, dass ca. 30% der Fälle nicht in der Notaufnahme behandelt werden müssten.
Im Zusammenhang mit diesem Phänomen hat nun der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland den Vorschlag gemacht, eine Gebühr zu erheben für diejenigen Patienten:innen die die Notaufnahme aufsuchen, ohne zuvor mit der Leitstelle telefoniert zu haben. Andreas Gassen begründet seinen Vorschlag damit, dass es „Unsozial ist […], den Notdienst unangemessen in Anspruch zu nehmen und damit das Leben anderer Menschen zu gefährden“.
Darüber hinaus ist es für Gassen klar, dass bei Menschen, die in der Lage sind, die Notaufnahme persönlich aufzusuchen, „[…] oft kein echter medizinischer Notfall [vorliegt]“.
Gesundheitsminister Lauterbach ist gegen eine Gebühr
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat der Gebühr allerdings bereits jetzt eine klare Absage erteilt. Insgesamt hat der Vorschlag von Gassen viel Kritik hervorgerufen:
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz und deren Vorstand Eugen Brysch widerspricht der Aussage von Gassen, dass es einen massenhaften Missbrauch der Notaufnahme gibt. Seiner Aussage zu Folge „wende sich jeder Zweite bei nicht lebensbedrohlichen Beschwerden an den ärztlichen Bereitschaftsdienst“. Darüber hinaus weist er auch daraufhin, dass es für Patienten:innen oft nicht einfach ist, Symptome richtig einzuordnen. Brysch schlägt vor diesem Hintergrund eine Umstrukturierung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes vor: Mehr Spezialisierung, ausreichende Öffnungszeiten der Praxen und Hausbesuche im größeren Umfang.
Auch die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, kritisiert den Vorschlag einer Notaufnahmengebühr. Nach ihrer Erfahrung sind es nicht die Patienten:innen, die eigenständig die Entscheidung treffen, die Notaufnahme aufzusuchen, sondern sie werden vom ärztlichen Bereitschaftsdienst dort hinüberwiesen, da, so die Annahme von Verena Bentele, „er offenbar personell nicht optimal aufgestellt ist“.
Sie fordert eine Reform der Notfallversorgung- es bedarf einer „einheitlichen Notfallnummer mit einer kompetenten Ersteinschätzung und einem klar festgelegten Verfahren, für die weitere Behandlung“.
Vorschläge für eine Reform der Notfallversorgung hat Karl Lauterbach bereits vorgelegt. Diese Vorschläge werden auch von Andreas Gassen unterstützt. Es soll ein neues Leitsystem für Notrufe konzipiert werden:
In Zukunft soll es Leitstellen in ganz Deutschland geben. Diese Leitstellen erreichen die Bürger:innen wie gewohnt über den Notruf.
Neu ist, dass im ersten Schritt telefonisch oder telemedizinisch geklärt wird, welche weitere Behandlung und Versorgung notwendig ist.
Damit soll verhindert werden, dass Menschen die Notaufnahme aufsuchen, die eine andere Art der Behandlung benötigen.
Darüber hinaus sollen integrierte Notfallzentren entstehen.
Diese bestehen aus „der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer Notfallpraxis der Kassenärztlichen Vereinigung, sowie einem „Tresen“ als zentrale Entscheidungsstelle “. Der „Tresen“ ist in diesem Konzept der Ort, an dem der weitere Behandlungsweg entschieden wird, also entweder die Behandlung in der Notaufnahme oder eine Behandlung in der Notfallpraxis.
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Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/lauterbach-gegen-notaufnahme-gebuehr-a-5654d5d7-6666-4996-b13b-863fe49a1a57