Schon seit einigen Jahren ein heiß diskutiertes Thema: Das Verbot der Zeitarbeit für Pflegekräfte und Ärzt:innen. Kritiker sehen darin vor allem eine Gefahr für die Qualität der medizinischen Versorgung. Leider werden beide Themen in der öffentlichen Diskussion in einen Topf geworfen, obwohl die Risiken und Nebenwirkungen differenziert zu betrachten sind.
Früher arbeiteten Honorarärzte und Vertretungsärzte in der Regel als Freiberufler, die von Vermittlungsagenturen an Kliniken oder Praxen vermittelt wurden, um temporäre Einsätze zu übernehmen. Diese Einsätze werden notwendig, wenn beispielsweise eine Ärzt:in krankheitsbedingt oder wegen Urlaub ausfällt, wenn es zu Belastungsspitzen kommt und eine Klinik eine zusätzliche Kraft benötigt, oder wenn eine Stelle nicht unbefristet besetzt werden kann. Das sehr einfache und kostengünstige System der Freiberuflichkeit wurde vor einigen Jahren aufgrund von Klagen der Sozialversicherungen durch die Zeitarbeit ersetzt. Die Vermittlungsagentur übernimmt dabei die Organisation und die Abrechnung der Einsätze.
Kritiker sehen in der Arbeitnehmerüberlassung von Honorarärzten und Vertretungsärzten jedoch ein Problem: Die Ärzt:innen sind oft nur für kurze Zeit in der Klinik oder Praxis tätig und haben keine langfristige Bindung an die Einrichtung. Das kann dazu führen, dass sie sich nicht ausreichend mit den Arbeitsabläufen und den Kollegen vertraut sind, was sich wiederum auf die Qualität der medizinischen Versorgung auswirken könnte. Dem könnte jedoch der Einsatzgeber durch eine bessere Einarbeit der Zeitarbeiter entgegenwirken.
Tatsächlich sind die Personalkosten für die Arbeitnehmerüberlassung deutlich höher als für das festangestellte Personal. Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) hat hierzu eine Umfrage gemacht, an der sich 319 Krankenhäusern beteiligt haben. Die befragen Kliniken haben angegeben, dass die Personalkosten für die Arbeitnehmerüberlassung ca. 92 Prozent höher sind als für das festangestellte Personal. Bei dieser Berechnung wurde allerdings nicht berücksichtigt, welche Verluste eine Klinik einfahren würde, falls überhaupt kein Arzt zur Verfügung stünde.
Bedeutet eine Festanstellung ein besseres Leben?
Kritiker gehen unbewiesenermaßen davon aus, dass all die Ärzt:innen, die aufgrund der für sie höheren Lebensqualität die Zeitarbeit als Anstellungsmodell vorziehen, in eine Festanstellung zurückkehren würden.
Dagegen sprechen folgende Argumente:
Ein Teil arbeitet schon in einer Festanstellung, und nur zusätzlich als Zeitarbeiter.
Ein anderer Teil befindet sich im schon im Pensionsalter und wird nicht in eine Festanstellung zurückkehren.
Ein weiterer Teil wird die Medizin verlassen und in andere Jobs wechseln. Das trifft vor allem auch auf Zeitarbeitskräfte in der Pflege zu, die den Pflegeberuf nur deshalb fortsetzen, weil es die Flexibilität innerhalb der Zeitarbeit gibt.
Der Teil der Ärzteschaft, der zurück eine Festanstellung gehen würde, würde nicht in die unterversorgten ländlichen Gebiete gehen, die vor allem auf die Zeitarbeit angewiesen sind.
Befürworter des Verbots argumentieren, dass die Versorgung der Patienten nur dann auf hohem Niveau gehalten werden kann, wenn Ärzte langfristig in der Einrichtung tätig sind und eine Bindung an das Team aufbauen.
Andere Experten sehen die Zeitarbeit als unverzichtbar für die medizinische Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen, in denen es an Ärzten mangelt. Durch die Arbeitnehmerüberlassung könnten temporäre Engpässe schnell und unkompliziert überbrückt werden. Zudem seien Honorarärzte und Vertretungsärzte oft hochqualifiziert und könnten spezielle Fachkenntnisse einbringen, die in der Klinik oder Praxis nicht vorhanden sind. Auch ist die Zeitarbeit für viele Ärzt:innen eine gute Möglichkeit, einen Beruf, der traditionell aufgrund des Schichtsystems nur sehr schlecht mit dem Familienleben in Einklang zu bringen ist, auszuüben. In Zeiten, in denen die Teilzeitquote der Ärzt:innen höher ist als jemals zuvor, bietet die Zeitarbeit eine weitere Option.
Gibt es eine Lösung, die allen gerecht wird?
Am Ende ist es wie so oft im Leben: Ein reines Schwarz/Weiß-Denken wird dem komplexen Thema nicht gerecht. D.h. ein Verbot der Zeitarbeit für medizinisches Fachpersonal wird das Problem des Personalmangels nicht lösen, sondern eher noch verschärfen. Aber es ist auch wichtig, sowohl für die Stammbelegschaft als auch für Zeitarbeitenden, gesetzliche Grundlagen zu schaffen, die für die Mehrheit zufriedenstellend ist und die verhindern, dass ein Graben zwischen diesen beiden Gruppen entsteht. Im Idealfall entstehen so Synergieeffekte von den alle Beteiligten profitieren: Das Krankenhaus, weil es den Betrieb aufrecht erhalten kann, auch wenn der Krankenstand das eigentlich nicht zulässt, die Stammbelegschaft, weil sie nicht immer wieder am freien Wochenende einspringen muss und die Menschen, die sich aus persönlichen Gründen entschieden haben, den Beruf des Arztes oder der Pflegekraft als Zeitarbeiter fortzusetzen und ihn ohne diese Möglichkeit möglicherweise nicht oder in einem geringeren Umfang fortsetzen würden.
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